Seit 20 Jahren sorgt die Trovarit AG als Digitalisierungspartner für den Perfect Match auf dem IT-Markt, indem sie Unternehmen bei der optimalen Auswahl und Einführung von Softwarelösungen unterstützt. Ein Interview mit PLM-Auschreibungs-Experte Marc Müller von der Trovarit AG.

Marc Müller, PLM-Auschreibungs-Experte

PLM-Auschreibungs-Experte Marc Müller (Trovarit AG)

 

Herr Müller, was sind die Kardinalfehler bei PLM-Ausschreibungen?

Der häufigste und sicher auch schwerwiegendste Fehler ist, sowohl die Ausschreibung als auch die spätere Implementierung zu unterschätzen. Viele Unternehmen merken, dass sie unbedingt ihre Prozesse optimieren sollten und entscheiden sich „mal eben“ für ein PLM-System, das am besten schon morgen laufen soll. Doch eine PLM-Ausschreibung dauert aller Erfahrung nach mindestens sechs Monate. Eine Dauer von einem Jahr ist keine Seltenheit. Ein weiteres großes Problem ist, dass den Unternehmen anfangs häufig die Grundlagen für die Implementierung eines PLM-Systems fehlen.

Was meinen Sie damit?

Die Ist-Situation in vielen Produktionsbetrieben sieht leider so aus: Ein CAD-System ist zwar vorhanden, doch die Stücklistenverwaltung erfolgt manuell in Excel. Die Transformation von Konstruktionslisten in Fertigungsstücklisten ist ebenfalls nicht automatisiert. Verschiedene, nicht synchronisierte Datenablagen existieren nebeneinander. Welche Daten gibt es? Wo sind diese zu finden? Welche Qualität haben sie? Elementare Fragen wie diese müssen erst einmal beantwortet werden. Ebenfalls fatal: Eine Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen, etwa Konstruktion und Einkauf, existiert, wenn überhaupt, nur rudimentär. Fazit: Es gibt schon im Vorfeld einer PLM-Implementierung einiges zu tun. Wir stellen in der ersten Beratung nicht selten fest, dass zunächst ein PDM-System, also die Digitalisierung von Produktentwicklung und Konstruktion mit Verwaltung von Stücklisten, eingeführt werden sollte. Und in manchen Fällen reicht das dem Unternehmen sogar schon. Wenn nicht, ist ein PLM als weitere Verbesserung der abteilungsübergreifenden Kommunikation und der Zusammenarbeit der nächste logische Schritt.

Wie sollten sich Unternehmen noch vorbereiten?

Ein Change Management ist unerlässlich. Allen Projektbeteiligten muss bereits in der Analysephase erklärt werden, was sie erwartet. Nur so lassen sich alle mitnehmen. Eine positive Grundhaltung, am besten eine Begeisterung für das Neue ist für den Erfolg eines PLM-Systems entscheidend. Zudem darf nicht der Fehler gemacht werden, das Ganze für ein reines „IT-Projekt“ zu halten. 75 Prozent der Projektverantwortung liegt bei der Fachabteilung, damit meine ich Konstruktion und Produktentwicklung. Entsprechend muss das PLM-Team aufgestellt sein, dass den gesamten Prozess auf den Weg bringt, organisiert und begleitet. Man kann nicht oft genug betonen: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, das gilt auch und insbesondere für PLM-Lösungen. Entscheidend sind spür- und messbare Mehrwerte fürs Unternehmen durch deutliche Prozessverbesserungen.

Und wenn alle diese Aspekte berücksichtigt sind – wie sollte die Ausschreibung im Idealfall ablaufen?

Den konkreten Bedarf erkennen und einen Produktentwicklungsprozess entwickeln – mit Stückliste und Nachverfolgbarkeit der Veränderungen. Funktionale und prozessuale Anforderungen in einem Lastenheft formulieren. Den Markt nach Lösungsanbietern scannen und zunächst eine Longlist von acht bis neun Anbietern erstellen. Nach einem Request for Information und einem Schärfen der Anforderungen bleiben noch fünf bis sechs Anbieter, die man zum Demo einlädt. An die drei übrig gebliebenen Unternehmen wird ein Detail-Lastenheft ausgehändigt. Es folgt eine ausführliche Lösungspräsentation für einen bestimmten Prozess. Zu diesem Zeitpunkt sollten auch Punkte wie Zeit- und Kostenschätzung sowie Methodik auf dem Tisch liegen.

Wie sieht es mit Referenzen aus?

Ein sehr wichtiger Aspekt. Ich rate dringend dazu, konkrete Referenzen einzuholen: Wie wurde eine ähnliche Herausforderung bei anderen Unternehmen – vielleicht sogar aus derselben Branche – angegangen? Wie ist die Implementierung gelaufen? Was sagt das Unternehmen heute, einige Zeit nach dem Start der neuen Lösung?

Und schließlich hat man tatsächlich den besten Kandidaten?

Es bestehen sehr gute Chancen, dass der Favorit das am besten passende und nachhaltig erfolgreichste PLM-System bietet. Genau dazu dient ja der umfangreiche und zweifellos aufwändige Ausschreibungsprozess. Abkürzungen sind zwar möglich – sie bergen aber die große Gefahr von Enttäuschungen und von doppelten Kosten.

Vielen Dank für dieses Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

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