Abaqus bietet die Möglichkeit verschiedene physikalische Domänen miteinander zu koppeln. Neben der reinen strukturmechanischen Betrachtung von Bauteilen mithilfe statischer oder dynamischer Spannungsanalyse können auch thermische Simulationen sowie elektrische Phänomene simuliert werden. Das kann durch eine geeignete gekoppelte Prozedur oder Co-Simulation durchgeführt werden. In diesem Blog-Beitrag geht es um den Aufbau einer thermisch-elektrisch-mechanischen Simulation mit einer geeigneten Prozedur in Abaqus.

Arten der gekoppelten Simulation

Im Allgemeinen gibt es drei Arten von diesen Simulationen. Die erste ist die „ungekoppelte Analyse“ (siehe Abb. 1). Sie kann mit einer Mapping-Strategie oder wie eine einzelne Wärmeübertragungsanalyse simuliert werden. In diesem Fall kann eine einzige thermische Analyse durchgeführt und das Ergebnis im Anschluss als Input für eine Strukturanalyse verwendet werden. Die zweite Variante ist die „sequentiell gekoppelte Analyse“ (siehe Abb. 1). Mit dieser Art der Kopplung kann eine thermische Verformungsanalyse, eine thermisch-elektrische Analyse oder eine thermisch-elektrisch-mechanische Analyse durchgeführt werden. In diesem Fall kann es so simuliert werden, dass die Temperatur jedes Zeitschrittes einen Einfluss auf die Spannungsanalyse des nächsten Zeitschritts hat. Die dritte Variante ist die „vollständig gekoppelte Analyse“ (siehe Abb. 1). Bei dieser Analyse handelt es sich um eine Simulation, bei der sich sowohl die Temperatur als auch die Spannung gegenseitig beeinflussen.

a) ungekoppelte Analyse 

 

 

b) sequentiell gekoppelte Analyse 

 

 

c) vollständig gekoppelte Analyse 

 

 

Abbildung 1: Die drei unterschiedlichen Arten der gekoppelten Simulation [1]

 

Die Wärmeübertragung mit einem relevanten Beispiel in Abaqus

Eines der wichtigsten Ziele der thermisch-elektrisch-mechanischen Simulation ist die Berechnung der Temperaturänderung aufgrund von elektrischem Strom.

Die Wärmeübertragung unterscheidet drei Arten von Wärmefluss: „Konduktion“, „Konvektion“ und „Strahlung“. Konduktion ist die Übertragung von Wärmeenergie in Festkörpern oder stationären Flüssigkeiten durch molekulare Wechselwirkungen (siehe Abb. 2). Konvektion ist die Übertragung von Wärmeenergie zwischen einer Oberfläche und einer sich ggf. bewegenden Flüssigkeit (siehe Abb. 2). Strahlung ist die Übertragung von Wärmeenergie durch Medien oder Vakuum mittels elektromagnetischer Wellen (siehe Abb. 2).

a ) Konduktion

b ) Konvektion

c ) Strahlung

 

Abbildung 2: Drei Arten der Wärmeübertragung

 

Im Folgenden wird ein einfacher Stecker bzw. Flachstecker betrachtet. Dieser dient als Anschauungsbeispiel für eine klassische Stecker-Steckdosenverbindung, siehe Abb. 3. Das einfache Modell eines Flachsteckers besteht aus zwei Teilen – den Stift und den Stecker (s. Abb. 4). Der rote Punkt auf dem Stecker zeigt den Messpunkt der Temperatur des Steckers an, der zur Berechnung der minimalen Schrittweite verwendet wird. Dies wird im nächsten Abschnitt näher erläutert.

Abbildung 3: Eine schematische Darstellung der Steckdose und dem Stecker

 

Abbildung 4: Ein einfaches Modell eines Flachsteckers

 

In diesem Modell kommen die drei physikalischen Phänomene Wärmeübertragung, Mechanik und elektrische Leitung zusammen. Im ersten Schritt wird die Mechanik betrachtet, indem der Flachstecker eingesteckt wird. Im Anschluss wird Strom angelegt und untersucht, inwieweit sich der Stecker aufheizt.

Für den Aufbau des Modells sollen folgende Punkte umgesetzt werden:

1.) Thermische, elektrische und mechanische Materialeigenschaften:

Abhängig von der Prozedur werden Materialeigenschaften definiert. Beispielsweise müssen „Dichte“ und „spezifische Wärme“ für instationäres Verfahren angegeben werden. Für diese Simulation werden „Dichte“, „elastisches Verhalten“, „spezifische Wärme“, „thermisch-elektrische Leitfähigkeit“ und „Joulescher Wärmeanteil“ eingesetzt. Die spezifische Wärmekapazität gibt die Wärmemenge an, die einem Stoff pro Masseneinheit zugeführt werden muss, um die Temperatur um ein Kelvin zu erhöhen. Diese muss bei einer instationären Analyse definiert werden. Der Joule’sche Wärmeanteil wird verwendet, um den Anteil der dissipierten elektrischen Energie anzugeben, der als Wärme in thermisch-elektrisch-gekoppelten Problemen freigesetzt wird. Er ist ein optionaler Parameter mit dem voreingestellten Wert 1.

Vor dem Parameter-Eingabe soll ein einheitliches Einheitensystem ausgewählt werden, das in Tab. 1 aufgelistet ist. Für unsere Analyse wird das Einheitensystem „mm-t-s“ gewählt. In unserem Modell wurde das isotrope Material Kupfer den Materialeigenschaften der Literaturwerte gewählt.

Tabelle 1: Das gewählte Einheitensystem in Abaqus/CAE

 

2.) Die Vernetzung und Prozedur vom Modell:

Nach Definition der Materialeigenschaften sollen die Bauteile vernetzt werden. Für die Vernetzung wurden lineare Brick-Elemente mit thermischen, elektrischen und mechanischen Freiheitsgraden (Q3D8) verwendet.

Modelle, die thermische Freiheitsgrade mitberücksichtigen, können als transient oder stationär simuliert werden. Bei der transienten Simulation wird der zeitliche Verlauf der Temperaturänderung berechnet, während die stationäre Simulation den finalen Temperaturverlauf, der sich nach einer langen Zeit einstellt, darstellt. Im Folgenden werden beide Fälle untersucht. Jede der Simulationen besteht aus zwei „Steps“. Der erste simuliert die Bewegung des Stifts und die Mechanische Belastung, die sich daraus ergibt. Für diesen Step kann als Prozedur „static general“ oder „thermal-electrical-structural“ verwendet werden. Der zweite Step berechnet die thermisch-elektrische Wirkung. Für diesen Step wurde „thermal-electrical-structural“ verwendet.

Eins der eingegebenen Parameter für die Prozedur ist die minimale Inkrementgröße. Für transiente Wärmeleitungsprobleme ist es wichtig, dass das Zeitinkrement nicht zu klein wird, um Instabilitäten zu vermeiden. Dieses Zeitinkrement ist abhängig von der Netzfeine und wird nach der folgenden Formel berechnet:

Dabei ist p die Dichte, c die spezifische Wärme, Δl der Abstand zwischen den Knotenpunkten des Elements nahe der Oberfläche mit der höchsten Temperatur (Abb. 5) und k die Wärmeleitfähigkeit.

 

Abbildung 5: Der Abstand zwischen den Knotenpunkten des Elements nahe der Oberfläche mit der höchsten Temperaturgradienten

 

3.) Kontaktoberflächen und die Wärmeübertragung an die Umgebung:

Für diese Simulation müssen Interactions definiert werden. Eine der Interactions dieses Modells bezieht sich auf die kontaktierten Oberflächen. Hierbei kann entweder der „general contact“ oder ein Kontakt „contact-pairs“ zwischen Oberflächen oder Knoten definiert werden. In dieser Simulation wird die Option des Oberflächenkontakts gewählt. Die Kontaktoberflächen haben in dem Fall keine Reibung und sollten thermisch-elektrische Eigenschaften haben. Die Eigenschaften den Kontaktflächen sind in der Tab. 3 aufgelistet.

Tabelle 3: Die Literaturwerte von Interaktionseigenschaften von dem Modell

Die andere Interaktion dieses Modells bezieht sich auf die Konvektion zwischen der Umgebung und den Bauteilen. Für die Wärmeübertragung an die Umgebung sollen die beliebigen Oberflächen ausgewählt und geeignete Eigenschaften dafür definiert werden. Die Eigenschaften sind in der Tab. 4 aufgelistet.

Tabelle 4: Die Literaturwerte von Konvektionseigenschaften mit der Umgebung

 

Die Konvektion mit der Umgebung sollte als „surface film condition“ definiert werden. Die Einstellung ist in Abb. 6 dargestellt. Für den gekoppelten thermisch-elektrischen-mechanischen Step sollte als Amplitude „instantaneous“ (siehe Abb. 7) für die „sink temperature“ definiert werden, da die Temperatur der Teile mit der Änderung der Steps abnimmt.

Abbildung 6: Der Oberflächenfilmzustand von Stift und Stecker

 

Abbildung 7: Die Amplitude für die „sink temperature“ als eine tabellarische Amplitude

 

Um das Modell realistisch zu gestalten, sollte die Anfangstemperatur wie Umgebungstemperatur festgelegt werden. Diese wird unter „Predefined Field“ festgelegt und beträgt 25°C (siehe Abb. 8).

Abbildung 8: Die Anfangstemperatur wie Umgebungstemperatur

 

Die Analyse der Simulationsergebnisse

Zur Prüfung der Validität unseres Modells wurden zunächst den Strom durch den Querschnitt des Bauteils untersucht. Aus diesem Grund muss „SOE“ – Gesamtstrom durch den Abschnitt – als „History Output“ gewählt werden. Um die SOE zu analysieren, muss „integrated output section“ definiert werden. Falls die Strahlungseigenschaften in der Simulation eine Rolle spielen, sollte die beliebige Oberfläche für den integrierten Ausgabeschnitt keine Strahlungseigenschaften haben. SOE ist in Abaqus/CAE für den gekoppelten thermal-electrical-structural Step nicht verfügbar und muss über den Keyword Editor wie folgt angefordert werden:

*Output, history

*Integrated Output, section=I-section-name
SOE

Für den Stecker in der Anwendung beträgt die zulässige Dauerbelastung für einen elektrischen Strom 141,4 Ampere und die zulässige Kurzzeitbelastung dafür 282,7 Ampere. Die Simulation wurden mit den beiden unterschiedlichen Oberflächenstrom durchgeführt.

Abbildung 9: SOE oder der Gesamtstrom über den Abschnitt den beiden Simulationen

 

Das Ergebnis von SOE wird vom Stecker als Diagramm in Abb. 9 aufgezeichnet, das die Strommenge durch eine ausgewählte Oberfläche zeigt. Wie bereits erwähnt, hilft diese Option dem Benutzer, die Stromstärke in einer Simulation und die des Experiments zu vergleichen. Die Abb. 9 zeigt die Ergebnisse von vier Simulationen; transient mit 141,4 Ampere, transient mit 282,7 Ampere, stationär mit 141,4 Ampere und stationär mit 282,7 Ampere.

Abbildung 10: Das Ergebnis der Knotentemperatur dieser Simulation mit 141,4 Ampere

 

Abbildung 11: Das Ergebnis der Knotentemperatur dieser Simulation mit 282,7 Ampere

 

Das Ergebnis der maximalen Knotenpunkttemperatur dieser Simulation mit 141,4 Ampere beträgt ca. 36 °C und das Ergebnis mit 282,7 Ampere beträgt ca. 67 °C (Abb. 10 und Abb. 11). Der Temperaturverlauf während der vier Simulationen ist als ein Diagramm in der Abb. 11 dargestellt. Somit erklärt sich auch, warum 282,7 Ampere für eine Kurzzeitbelastung zulässig sind. Für eine Dauer von weniger als 20 s wird eine maximale Temperatur von 35 °C erreicht, bei einer längeren Dauer steigt die Temperatur auf bis zu 67 °C.

Abbildung 12: Das Ergebnis der Knotentemperatur von vier Simulationen als ein Diagramm

 

Zusammenfassung

In Abaqus können verschiedene physikalische Domänen miteinander gekoppelt werden. Als Beispiel wurde in diesem Blog eine Kopplung aus thermischer, elektrischer und mechanischer Simulation betrachtet. Hierfür wurde ein Flachstecker als Modell herangezogen. In der Simulation wird veranschaulicht, wie warm ein Stecker bzw. Flachstecker bei einer bestimmten Stromstärke wird. Die zulässige Kurzzeit- und Dauerbelastung eines solchen Steckers betragen 282,7 Ampere bzw. 141,4 Ampere. Während bei der Dauerbelastungsstromstärke eine maximale Temperatur von 36 °C erreicht wird, kann ein doppelt so hoher Strom zu Temperaturen von bis zu 67 °C führen.  Beim Einhalten der vorgesehenen kurzen Belastungsdauer von 20s bleiben allerdings auch hier die Temperaturen im angemessenen Rahmen von unter 36 °C. Für weitere Betrachtungen können Lüftungs- oder Kühlsysteme hinzugefügt werden, um somit ein Design zu finden, welches auch für höhere Stromstärken geeignet ist.

 

Literaturverzeichnis:

[1] Dassault System, „Online Companion,“ [Online]. Available:
https://widgetfactoryext.extranet.3ds.com/api/download/ENOVIA/file/service/3DXU.
PRDEXT/param/value/action/enovia/skilldevelopment/COMPANION_SCORM/Launch.
html?authentication=4&AICC_SID=-5951777581260773852izihj&sSourcePath=https
%3A%2F%2Feduspace.3ds.com%3A

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