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Mit Abaqus können verschiedene physikalische Domänen miteinander gekoppelt werden. Neben der reinen strukturmechanischen Betrachtung von Bauteilen mithilfe statischer oder dynamischer Spannungsanalyse können auch elektromagnetische Phänomene simuliert werden. Durch eine geeignete gekoppelte Prozedur oder Co-Simulation können diese gekoppelt werden. Die Co-Simulationslösungstechnik verwendet einen segregierten Lösungsansatz, bei dem das Multiphysik- oder Multiskalenproblem in zwei oder mehr Subsysteme unterteilt wird, wobei jedes Subsystem unabhängig gelöst wird und die Lösungsdaten im Verlauf der Analyse ausgetauscht werden. Eine Abaqus-Analyse kann mit einer anderen Abaqus-Analyse oder mit einem anderen Analyseprogramm gekoppelt werden, um Multiphysik- und Multiskalensimulationen zu lösen. In diesem Blog-Beitrag soll es um den Aufbau einer elektromagnetisch-strukturellen Analyse (elektromagnetische Verformung) mit einer geeigneten Prozedur in Abaqus gehen.
Im Allgemeinen gibt es drei verschiedene Arten von Simulationen im Rahmen einer Co-Simulation miteinander zu koppeln. Die erste ist die „ungekoppelte Analyse“ (siehe Abb. 1). Sie kann mit einer Mapping-Strategie simuliert werden, bei der die Ergebnisse aus einer Analyse als Startwert für eine andere Analyse verwendet werden. In unserem Fall würde also zunächst eine elektromagnetische Analyse durchgeführt und das Ergebnis im Anschluss als Input für eine Strukturanalyse verwendet werden. Die zweite Variante ist die „sequentiell gekoppelte Analyse“ (siehe Abb. 1). In diesem Fall werden die beiden Simulationen so gekoppelt, dass die elektromagnetischen Kräfte jedes Zeitschrittes einen Einfluss auf die
Spannungsanalyse des nächsten Zeitschritts haben. Die dritte Variante ist die „vollständig gekoppelte Analyse“ (siehe Abb. 1). Bei dieser Analyse handelt es sich um eine Simulation, bei der sich sowohl die elektromagnetischen Kräfte als auch die Spannung gegenseitig beeinflussen.
Abbildung 1: Die drei unterschiedlichen Arten der gekoppelten Simulation (1)
Das Thema „gekoppelte Simulation“ kommt in unterschiedlichen Bereichen im Einsatz wie Fluid-Struktur Analyse (Simulation der Transversalfluss-Induktionserwärmung), Elektromagnetisch-Mechanische Analyse (Simulation der magnetische Impulsumformung), thermisch-elektrisch-mechanische Analyse (Wärmeübertragungsanalyse einer Steckdose). Zum Thema „thermisch-elektrisch-mechanische Analyse“ wurde ein Artikel veröffentlicht (2). In unserem Beitrag soll es um die „EM-mechanische Analyse“ gehen, welche wir als sequenziell gekoppelte Analyse betrachten.
Eine elektromagnetische zu einer instationären impliziten dynamischen Analyse ist nützlich für Anwendungen wie die elektromagnetische Umformung, bei der die Lorentz-Körperkräfte aus einer elektromagnetischen Analyse eine instationäre dynamische Analyse antreiben. Die Co-Simulation zwischen einer transienten elektromagnetischen Analyse und einer statischen oder transienten impliziten dynamischen Analyse wird unterstützt. Die Kopplung ist in dem Fall nur einseitig, d. h. die Auswirkungen der Verformung von Teilen des Bereichs auf die elektromagnetischen Felder werden nicht berücksichtigt. Daher sollte eine solche Analyse nur verwendet werden, wenn die Auswirkungen der Verformung auf die elektromagnetischen Felder gering sind (3).
Die elektromagnetische Umformung wird hauptsächlich zum Dehnen, Stauchen oder Formen rohrförmiger Bauteile verwendet. Gelegentlich werden damit auch flache Bleche geformt. Diese drei unterschiedlichen Arten der elektromagnetischen Umformung – Ausdehnung, Stauchung und flache Spule – sind in Abbildung 2 dargestellt. Das Verfahren ist ein Hochgeschwindigkeits-Umformverfahren, bei dem elektromagnetische Kräfte zur Verformung der Werkstücke eingesetzt werden. Es kann beispielsweise zum Stanzen von Löchern oder zur Verformung dünnwandiger Bauteile wie Rohre verwendet werden. Die zum Umformen und Stanzen erforderlichen Kräfte entstehen durch die elektromagnetischen Wechselwirkungen zwischen Spule und Werkstück. Das Bauteil, z. B. ein Rohr, wird abhängig von der Gestaltung des Kerns verformt.
Abbildung 2: Die drei unterschiedlichen Arten der magnetischen Impulsumformung (4)
Die beschriebene Co-Simulation wird gemäß dem in Abb. 3 dargestellten Workflow durchgeführt.
Abbildung 3: Der Workflow dieser Co-Simulation
Im Folgenden betrachten wir ein Aluminiumrohr in einer elektromagnetischen Simulation, das in einer Strukturanalyse mit einem Stahlkern verformt wird. Das Modell der elektromagnetischen Simulation besteht aus drei Teilen (Umgebungsraum, Spule und Aluminiumrohr), während das Modell der mechanischen Analyse aus zwei Teilen (Aluminiumrohr und Kern) besteht, die in Abb. 4 dargestellt sind. In diesen Analysen werden die beiden physikalischen Phänomene Magnetismus und Mechanik miteinander gekoppelt. In der elektromagnetischen Simulation wird das Magnetfeld durch den Stromfluss in der Spule erzeugt, wodurch magnetische Kräfte entstehen. Diese Kräfte werden in der zweiten Simulation verwendet, um das Aluminiumrohr zusammenzudrücken bzw. zu verformen. Für den Aufbau der Modelle sind folgende Schritte zu befolgen:
1. Gestaltung der Simulationsmodelle
Im ersten Schritt werden die Bauteile für die Simulation erstellt, positioniert und mit geeigneten Materialeigenschaften versehen. Die Dicke des Aluminiumrohrs liegt für diesen Prozess typischerweise zwischen 0,1 mm und 3 mm. Für die elektromagnetische Simulation wird ein Simulationsraum als „Luft“ zur Analyse der Ausbreitung des Magnetfelds während der Simulation definiert. Zudem werden eine Spule für den fließenden Strom sowie das Aluminiumrohr modelliert (siehe Abb. 4). Dafür werden hierfür die „magnetische Permeabilität“ und die „elektrische Leitfähigkeit“ berücksichtigt. Für die mechanische Simulation werden lediglich das Aluminiumrohr und der Stahlkern modelliert. Hierbei werden das „elastische und plastische Verhalten“ der Materialien abgebildet.
Abbildung 4: Die Bauteile für die elektromagnetische und mechanische Simulation
Vor der Eingabe der Parameter in Abaqus sollte ein einheitliches Einheitensystem festgelegt werden. Für diese Analyse wird das Einheitensystem „mm-t-s“ gewählt. In unserem Modell wird das isotropebMaterial Kupfer anhand der Materialeigenschaften aus der Literatur definiert. Für die Vernetzungsstrategie der elektromagnetischen Simulation werden lineare Elemente mit elektromagnetischen Freiheitsgraden (EMC3D8) verwendet. In der mechanischen Simulation kommen lineare Elemente mit mechanischen Freiheitsgraden (C3D8) zum Einsatz. In Abaqus wurden drei Prozeduren für die EM-Simulationen implementiert:
In diesem Fall wird die Prozedur „Low Frequency Transient Eddy Current Analysis“ verwendet. Dieses Verfahren wird in Abaqus durch Keywords unterstützt. In Abaqus CAE ist jedoch nur der Step „Low Frequency Time Harmonic Eddy Current“ verfügbar. Das angepasste Keyword sollte wie folgt aussehen:
*Step, name=Electromagnetic
*Electromagnetic, low frequency, transient, STABILIZATION=100
Die Stabilisierung dient zur Kontrolle von Singularitäten, da die Formulierung des magnetischen Vektorpotentials in der Maxwell-Gleichung zu Singularitäten führen kann. Der maximale Wert für die Stabilisierung beträgt 100, welcher in diesem Fall verwendet wird.
Für die elektrische Last gibt es in Abaqus verschiedene Möglichkeiten. In diesem Fall wird die Stromstärke als „Body Current“ mit geeigneten Randbedingungen für die EM-Simulation angewendet. Während des Prozesses fließen extrem hohe Ströme durch die Spule, da es sich um einen Hochgeschwindigkeits-Umformprozess handelt, der starke magnetische Kräfte erfordert. Die Stromstärke hängt von den spezifischen Anforderungen des Prozesses ab, wie z. B. der Größe des Werkstücks, der Materialart und der gewünschten Verformung. Die Spitzenstromstärke liegt typischerweise zwischen 50.000 und 1.000.000 Ampere. Für die mechanische Analyse werden ebenfalls geeignete mechanische Randbedingungen definiert, um die statische Bestimmtheit des Modells sicherzustellen.
2. Bestimmung der Co-Simulationsregion
Für beide Simulationen wird eine identische, elementbasierte Region definiert, deren Verhalten untersucht wird. Dies wird in Abaqus durch das Keyword „*CO-SIMULATION REGION“ unterstützt. In diesem Fall ist das Aluminiumrohr die Co-Simulationsregion. Zusätzlich wird die Region abhängig von den Feldvariablen definiert, indem festgelegt wird, welche Variablen in welcher Analyse importiert oder exportiert werden. Hier werden die elektromagnetischen Kräfte aus der EM-Simulation exportiert und als mechanische Kräfte in der Strukturanalyse importiert. Das angepasste Keyword sollte wie folgt aussehen:
3. Bestimmung der Kopplungsschritts
Für den nächsten Schritt wird der geeignete Kopplungsschritt definiert. Der Kopplungsschritt legt die Häufigkeit des Austauschs zwischen den Analysen in einer Co-Simulation fest und beeinflusst direkt die Stabilität sowie die Genauigkeit der gekoppelten Lösung. Die Größe des Kopplungsschritts wird zu Beginn jedes Kopplungsschrittsfestgelegt und zur Berechnung des nächsten Zielzeitpunkts verwendet. Dafür müssen die „Inkrementgröße“ und das „Verhandlungsschema“ definiert werden. Mit der SIMULIA Co-Simulation Engine werden die Inkrementgröße und das Verhandlungsschema bestimmt.
Es gibt zwei Methoden zur Bestimmung der Inkrementgröße. Eine Methode heißt „Subcycling“ oder auch automatische Methode. Abhängig vom Prozess kann Abaqus die Inkrementgröße anpassen. Für nichtlineare Ereignisse, die eine Reduzierung der Inkrementgröße erfordern, ermöglicht das Subcycling Abaqus, die Inkrementgröße zu reduzieren. Die andere Methode ist „Lockstep“. In diesem Fall kann Abaqus gezwungen werden, eine feste Zeitschrittweite zu verwenden. Dies ermöglicht beiden Solvern, die gleiche Zeitschrittweite zu nutzen und die Interpolation von Größen während des Kopplungsschritts zu vermeiden. Bei Lockstep ist Abaqus jedoch nicht in der Lage, das Zeitinkrement zu verringern, um nichtlineare Ereignisse aufzulösen, und beendet die Simulation in diesen Fällen.
Die SIMULIA Co-Simulation Engine bietet mehrere Verhandlungsmethoden an, wie z. B. „Constant Coupling Step Size“, „Minimum Coupling Step Size“, „Maximum Coupling Step Size“, „Having a Solver Dictate the Coupling Step Size“ und „Constant Multiple“. Detaillierte Erklärungen sind in der Abaqus Online-Dokumentation zu finden (5). In diesem Fall wird „Constant Multiple“ verwendet. Bei dieser Methode wird die Kopplungsschrittgröße vom Solver bestimmt, zusätzlich zur vom Anwender bevorzugten Schrittgröße.
4. Konfigurationsdatei und Ausführung der Simulationen
Für den Start einer Co-Simulation ist eine Konfigurationsdatei erforderlich, mit der die beiden Simulationen miteinander gekoppelt werden. Hierfür müssen beide Input-Dateien erstellt und gespeichert werden. Die Konfigurationsdatei wird als eine .xml-Datei geschrieben. Diese .xml-Datei kann entweder detailliert oder vereinfacht sein. Typischerweise wird eine vereinfachte Version der Datei verwendet, wenn zwei Prozeduren innerhalb von Abaqus miteinander gekoppelt werden, um zu verhindern, dass der Benutzer unnötige Änderungen vornimmt. Die detaillierte .xml-Datei wird hingegen genutzt, wenn ein Abaqus-Solver mit einem anderen Programm gekoppelt werden soll. Mit der Fetch-Funktion (abaqus fetch job=exa_em_std_export) kann ein Muster für die .xml-Datei erzeugt werden. Die .xml-Datei wird wie folgt geschrieben:
Danach wird die Co-Simulation durch das folgende Command-Fenster gestartet:
abaqus cosimulation job=em_job_name,st_job_name cosimjob=Co-simulation_job_name
config=config_name
Hierbei wird „em_job_name“ durch den Namen der EM-Simulation und „st_job_name“ durch den
Namen der Struktur-Simulation ersetzt. Der Name der Co-Simulationsaufgabe wird als „Cosimulation_job_name“ festgelegt und die Konfigurationsdatei hat den Namen „config_name“.
Nach der Durchführung der Simulationen werden die Ausgaben wie die magnetische Flussdichte (EMB) und die magnetischen Kräfte des Körpers in leitenden Bereichen (EMBF) vektoriell aus der EM-Simulation analysiert. EMB zeigt das Magnetfeld in der definierten Umgebung als Vektoren an, während EMBF die magnetischen Kräfte im Aluminiumrohr als Vektoren darstellt (siehe Abb. 5). Die Ausgabe EMBF hat die Einheit von 𝐹𝑇 −1𝐿 −3 im ausgewählten Einheitensystem. Diese Ausgabe wird in der Strukturanalyse als Eingabe CF importiert, welche die Einheit 𝐹 im gleichen Einheitensystem hat. Die Einheitsumwandlung erfolgt problemlos durch die detaillierte Konfigurationsdatei, sodass der Benutzer in diesem Fall keine manuelle Anpassung vornehmen muss.
Abbildung 5: Zwei wichtige Ausgaben der EM-Simulation; a) EMB, b) EMBF
Danach wird die Verformung des Aluminiumrohrs in der mechanischen Simulation betrachtet. Abhängig von der Form des Kerns wird das Aluminiumrohr verformt. Die Spannung des Rohrs wird dabei erheblich steigen (siehe Abb. 6). Die mechanischen Kräfte sind in Abbildung 7 dargestellt.
Abbildung 6: Zwei wichtige Ausgaben von Strukturanalyse; a) Verformung, b) Spannung
Abbildung 7: CF aus der Strukturanalyse von zwei unterschiedlichen Ansichten
Die Kombination elektromagnetischer und mechanischer Simulationen in Abaqus ermöglicht eine präzisere Entwicklung von Bauteilen. Durch verschiedene Co-Simulationsmethoden können komplexe physikalische Wechselwirkungen realistisch abgebildet werden. Ein Beispiel ist die magnetische Impulsumformung, bei der elektromagnetische Kräfte dünnwandige Bauteile ohne mechanischen Kontakt verformen. Dieser Hochgeschwindigkeitsumformprozess eignet sich besonders für die Automobil- und Luftfahrtindustrie, wobei hohe Ströme zwischen 50 kA und 1 MA die Spannung auf bis zu ca. 67 GPa steigern können. Die „Low-Frequency Transient Eddy Current Analysis“ ermöglicht in Abaqus eine zuverlässige Berechnung der Kräfte. Der Vorteil liegt in der Reduzierung von Prototypen, der Kostensenkung sowie der Optimierung von Materialeinsatz und Qualität. Hochgeschwindigkeitsströme erzeugen starke magnetische Felder, die eine präzise Bauteilverformung, beispielsweise bei der Rohrumformung und dem Stanzen von Löchern, ermöglichen.
Literaturverzeichnis: